In Europa brauche es deshalb einen strategischen Prozess mit dem Ziel, die Sicherheit des Kontinents unter völlig veränderten Vorzeichen selbst gewährleisten zu können, so der Politikwissenschaftler. "Trump würde den europäischen Nato-Staaten vermutlich sagen: Ihr müsst jetzt viel mehr Geld ausgeben, sonst entziehen wir Euch den Schutz. Und da reden wir nicht mehr von 2 Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung, sondern von deutlich mehr." Trump könnte bei einer neuen US-Präsidentschaft auch den Austritt der USA aus internationalen Organisationen betreiben und das Engagement der Vereinigten Staaten in der Nato reduzieren, so Masala.
Solche Schritte würden laut Masala weitreichenden Folgen haben: "Sollte ein wiedergewählter Präsident Trump auch nur verbal den Eindruck erwecken, dass Europa nicht mehr unter dem Schutz des amerikanischen Nuklearschirms steht, dann hätten wir hier auf dem Kontinent sofort eine radikal veränderte Sicherheitslage." Europa brauche einen eigenen Nuklearschirm, falls die USA keinen Schutz mehr garantierten, so der Militärexperte.
Eine mögliche Schlüsselrolle bei einem europäischen Nuklearschirm schreibt der Militärexperte Frankreich zu. Deren Nuklearstrategie sei bislang rein national. "Vielleicht gelingt es, diese dahingehend zu verändern, dass Frankreich unter bestimmten Umständen auch bereit wäre, europäische Nachbarstaaten mit seinen Atomwaffen zu verteidigen", so Masala.
Unabhängig vom Ausgang der US-Wahl sei laut Masala klar, dass nach dem Ukraine-Krieg Europa die Hauptverantwortung für die Eindämmung Russlands tragen werde. "Die Vereinigten Staaten werden dazu auch unter einem wiedergewählten Präsidenten Biden nicht bereit sein. Wahrscheinlich wäre dieser Prozess unter Biden längerfristig und eher konsensuell, unter Trump hingegen abrupt. Auf beides müssen sich die Europäer unbedingt vorbereiten", so Masala. "Stattdessen sitzen sie wie die Kaninchen vor der Schlange und hoffen, dass die Sache schon irgendwie gut ausgeht."